Kammern des Schreckens

Dienstag, 1. April 2014

Wieder und wieder und wieder und Wiener ... Würstchen

Kate Atkinson: Life after Life




Wie oft kommt uns der "Was wäre, wenn?"-Gedanke? Was wäre, wenn wir die Zeit zurückdrehen könnten, und die größten Fehler unseres Lebens ungeschehen machen könnten? Was wäre, wenn wir sogar Tode ungeschehen machen könnten? Für Ursula, die im Februar 1910 zur Welt kommt, ist dieser Gedanke nicht nur rein hypothetisch. Sie lebt in einer Zeitschleife, ihr Tod bringt sie zurück ins Leben. Sie erlebt Hitler und den Zweiten Weltkrieg. Sie erlebt Leid und Schicksale. Doch wenn sie unendlich viele Versuche hat, kann sie dann nicht all das Unglück - irgendwie! - abwenden? Wer, wenn nicht sie?


Eines vorweg: Ich finde Atkinsons Reinkarnationsidee phantastisch. Besser umgesetzt habe ich eine solche niemals erlebt. Und das, obwohl in letzter Zeit und auch seit langem gefühlte Millionen "Was wäre, wenn"-Szenarios durchgeplant worden sind, die sich speziell auf Hitler und den zweiten Weltkrieg beziehen. Das ganze jedoch aus einer weiblichen Perspektive zu betrachten, auch mit besonderem Augenmerk auf die Briten und Eva Braun, ist beinahe erfrischend. Wenn man erfrischend bei dieser ernsten und teilweise auch frustrierenden Thematik überhaupt sagen kann.

Kein Wunder, dass dieser Roman Gewinner des Costa Novel Award 2013 ist. Die Autorin wagt mit ihrer besondern Methode ein herausforderndes, sich jedoch am Ende lohnendes Experiment. 

Man hätte jedoch vor allem im dritten Viertel der Geschichte ein wenig kürzen können. Der Nachteil bei diesem speziellen Konzept ist ja auch, dass man sehr leicht dazu verleitet wird, sich ständig zu wiederholen. Man versteht natürlich, dass es dazu gehört und zu der Handlung perfekt passt, aber der Spaß geht beim Lesen dann an einigen (wenigen) Stellen flöten.

Leider ist es bei mir so, dass ich englischsprachige Romane manchmal nur zur Hälfte verstehe, auch wenn mein Englisch im Grunde ganz gut ist. So sind mir sicher einige Elemente verborgen geblieben. Trotzdem fällt vor allem auf, dass eine sehr schöne und auch inspirierende Metaphorik sich durch den Roman zieht. Und was noch positiv anzumerken ist, sind die deutschen Sätze, die manchmal verwendet wurden, weil die Handlung ja auch in Deutschland spielt. Verglichen mit den beliebten Book Thief, in dem sehr viele Fehler bei deutschen Sätzen gemacht wurden, findet man hier zwar weniger, wo man was falsch machen kann, aber auch somit weniger Fehler. Ich finde nämlich, dass man in seinem Roman neben all der historischen Recherche auch wenigstens vernünftige Sprachquellen finden sollte. 

Die Figuren sind sehr komplex und von vorn bis hinten durchgearbeitet. Jede für sich hat eine eigene, individuelle Lebensgeschichte und Tragödien. Und das ist auch das Wichtige am Roman. Du kannst versuchen, Unglück abzuwenden, Dinge ungeschehen zu machen, und doch bleibt so viel Trauriges auf Erden, wogegen auch Helden kaum etwas tun können. 


Life after Life ist für deutschsprachige Leser, aber auch sicherlich für sich ein anspruchsvoller Roman, der weiteres Interesse an der deutschen Vergangenheit weckt. Es handelt sich um ein Leseerlebnis, welches gewonnene Preise auch verdient, aber nicht vollkommen frei von Kritikpunkten ist.

(Quelle: KateAtkinson)


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