Kammern des Schreckens

Freitag, 31. Januar 2014

Viktorianisches Gruselmärchen

Michael Boccacino:  Charlotte und die Geister von Darkling



Charlotte ist Gouvernante auf dem Everton-Anwesen. Sie selbst und alle anderen um sie herum hatten Berührungen mit dem Tod, geliebte Menschen verloren. Als die Nanny zerstückelt wird, weiß Charlotte noch nicht, dass sie selbst Teil eines grausigen Spiels in einer anderen Welt ist. Doch dann führt die verstorbene Mutter ihrer Zöglinge sie in das Haus Darkling. Es ist die Endwelt, in der der Tod allgegenwärtig, und doch unerreichbar ist. 



Wie erstrebenswert ist die Unsterblichkeit?
Der Autor erfindet eine Welt, in der der Tod unerreichbar und deshalb verehrt ist. Mit viel absurder Phantasie führt er den Leser durch ein Märchen, wie eine schaurige Version von Alice im Wunderland.


Boccacinos Erstling erntet zur Zeit sehr viel negative Kritik unter den ersten Lesern. Und so ist es nun einmal, wenn Schreibstil und Handlung so anders sind als erwartet. Außergewöhnliches spaltet. Ich kann die Argumente sehr gut nachvollziehen. Es handelt sich um ein Jugendbuch, und doch passt es nicht ganz in dieses Schema. Der Schreibstil ist, unter anderem weil es sich um eine Erwachsenenperspektive handelt, nicht jugendbuchgemäß. Er passt zu der viktorianischen Zeit und dem Charakter der leidgeprüften Protagonistin. Irgendwie neutral, unterschwellig schaurig, wenn auch nicht schockierend oder extrem.
Die Atmosphäre gestaltet sich somit durch eine omnipräsente Dunkelheit, egal ob bei Tag oder nachts. 

Alice im Schauderland. Ein dunkles Märchen, in das man sich fallen lassen muss. Dem man sich öffnen muss. Dessen Eigenheiten zu akzeptieren sind. Wenn man gerade richtig Lust auf solches hat, dann ist dieser Roman perfekt. Mal was Neues! Wie eine Gute-Nacht-Geschichte, in  die man nicht hundertprozentig eintaucht, weil man sonst nicht schlafen könnte.

Die Charaktere bleiben oberflächlich, aber nicht zu sehr. Es geht ja nicht darum, sie zu kennen und sich in sie hineinzuversetzen. So ist das mit Märchenfiguren! Sie sind keine psychologisch analysierbaren Individuen, sie sind Typen. Das gehört einfach zum Stil, und ich vermisse keinerlei Details. Was interessieren mich unwichtige Hintergründe, wenn doch das Hier und Jetzt zählt?


So kann ich keine eindeutige Empfehlung geben. Ich finde den Roman sehr gelungen, sehr interessant, wenn auch nicht perfekt. Jedoch kann ich mir vorstellen, dass die wahre Zielgruppe des Werks, also Leute, deren Geschmack das Ganze sein könnte, recht begrenzt ist. 



Fazit: Nur zu empfehlen, wenn man offen für Neues ist, oder Lust auf Alice im Schauderland hat!


Freitag, 24. Januar 2014

~Bücherlose Blubberitis~

Hallöchen! 


Ich hatte heute meine zweite praktische Fahrprüfung und habe wider Erwarten bestanden! Ich bin überglücklich. Und dass, obwohl ich einem Polizisten so gut wie die Vorfahrt genommen habe, über einen Bordstein gekommen bin, Einmündungen gesehen habe wo keine waren, abgewürgt habe und auf einmal nicht mehr wusste wie das Lenkradschloss funktioniert - Hilfe! Und das war noch nicht einmal alles. Gut, dass ich vom Fahrlehrer einen Glücksbringer bekommen habe, den werde ich in meinem zukünftigen Leben als miese, aber berechtigte Autofahrerin wohl gebrauchen.
Jetzt habe ich endlich wieder mehr Zeit zum Lesen, so ganz ohne Fahrstunden. Wenn da nicht das Abi wäre ... Während meine Mitschülerinnen sich die zugekleisterten Köpfe darüber zerbrechen, welches Kleid sie am besten zum Abiball anziehen sollen, weil sie vorsichtshalber acht Stück gekauft haben (natürlich auf Papas Kosten), juckt mich das ganze Drumherum gar nicht. Wozu sich Gedanken machen über Party, Motto und Kleider, wenn noch nicht einmal sicher ist, dass man besteht? Und ich will meinen Abschluss ja nicht, um dann mit all den Leuten zu feiern, die ich nicht einmal unbedingt leiden kann. Die Prioritäten liegen bei mir anderswo.


Mein Freund und ich wollen uns in ein kleines Abenteuer stürzen. Das heißt, den Jakobsweg gehen. 
Dann kaufe ich mir doch lieber vernünftige Wanderschuhe, anstatt ein Ballkleid für die kritischen Augen unsympathischer Weiber. Na, ich will ja nicht negativ klingen, denn ich fühle mich phantastisch!


Euch allen viel Glück (bei was immer ihr auch tun solltet) und ein wunderschönes Wochenende. :)

Dienstag, 21. Januar 2014

Versprich mir, dass du frei sein wirst!

Jorge Molist: Am Horizont die Freiheit





Llafranc, 1484: Als der zwölfjährige Joan miterlebt, wie seiner Fischerfamilie von Piraten Grausamkeiten angetan werden, verspricht er seinem sterbenden Vater, dass er für seine Freiheit kämpfen wird. Und so begleitet den talentierten Jungen der Wunsch nach Rache, wo er geht und steht. Wird ihm dieser Wunsch die Aussicht auf eine glückliche Liebe vereiteln?

Das sei vorweg gesagt: Der Roman ist ausschweifendes Lob nicht wert. Die überaus aufwendige Aufmachung schmeichelt Händen und Augen, der Inhalt ist jedoch eher durchschnittlich. Molist ist Bestsellerautor, der Roman sehr umfangreich recherchiert worden und sehr flüssig lesbar. "Wie seine amerikanischen Kollegen Ken Follett und Noah Gordon" (El Mundo) schreibt er jedoch nicht, wie ich finde. Es ist zwar Spannungsaufbau vorhanden, aber wirklich erreichen, oder gar mitreißen, kann mich diese Spannung kaum. 


Anfangs neigt Molist zu detaillierten Ausschweifungen, die das Lesen kurze Zeit langatmig machen konnten. Je näher es dem Ende zuging, desto rascher scheint Molist geschrieben, mit dem Thema abgeschlossen zu haben. Wem der Anfang gefällt, der kann mit dem Ende weniger anfangen, und umgekehrt. Ich persönlich mochte, dass die Handlung einem Kern zuzulaufen schien um sich danach von diesem zu entfernen. Mir gefiel auch, dass Joans Leben von Büchern und Schiffen bestimmt ist. Verständlicherweise liebe ich Bücher, und die Atmosphäre einer Buchhandlung seiner Zeit ist warm, gemütlich, familiär.  Und ich liebe auch das Meer, wer liebt es schon nicht? Joan wird durch diese gemeinsame Vorliebe beinahe sympathisch, wenn es nicht so vieles gäbe, worüber ich mich aufrege!



Immer wieder entwickeln sich Ansätze tiefer gehender, moralischer Betrachtung der Dinge. Trotzdem entwickelt Joan sich nur bis zu einem gewissen infantilen Punkt, an welchem er sich immer dieselben Fragen stellt, manchmal sogar vernünftige Antworten findet, sie aber nicht verinnerlichen kann. Er handelt nicht nach den Erkenntnissen, die er aus seiner Vergangenheit und seinen Gedanken zieht. Er handelt sehr triebhaft, sodass man aus heutiger Sicht (weil wir beispielsweise vom Kategorischen Imperativ Kants gehört haben) nicht allzu viel von seinem abstrakten Denken halten kann, beziehungsweise auch von ihm selbst. So wird auch die Romanze, die omnipräsent ist, dem Leser kaum nahe gehen. 

Ich halte Molist für einen guten Autor historischer Romane - unverschleiert ist der Charakter der Zeit, in dem die Handlung spielt, sind die Leute, die in dieser Leben. Aber ich halte ihn nicht für einen guten Erzähler von Liebesgeschichten, denn ich empfinde rein gar nichts. Ich finde, dass sich eine gute Romanze dadurch auszeichnet, dass mich jede Liebesbekundung berührt, und dass selbst das reine Wort Liebe Erhabenheit innehat. Außerdem geht es nicht, dass  man hofft, sie kämen nicht zusammen. Ging es dem Autor überhaupt darum, eine Liebesgeschichte berührend darzustellen? Dann hätte er den Fokus von ihr nehmen müssen. Denn mich hat sie nach einer Weile nur noch genervt.


Der Protagonist ist mir also hauptsächlich unsympathisch. Es gibt aber auch durchaus Charaktere, die interessant sind, solche, die es sogar tatsächlich gegeben hat. Das ist ein recht seltsamer, aber auch schöner Gedanke, dass diese Menschen, die im Kopf entstehen, wirklich einmal gelebt haben und durch diese Geschichte quasi unsterblich gemacht worden sind, wann immer jemand sie liest. Auch die Orte, die längst nicht mehr von derselben Armut und Inquisition befallen sind, entwachsen den Worten, und alles scheint so real. Das alte Spanien ist wunderschön und schrecklich zugleich. 
So ist es einem möglich, sich in den Roman fallen zu lassen, auch wenn einiges zu wünschen übrig lässt. Man muss einfach wissen, wo bei dem eigenen Lesevergnügen die Prioritäten liegen. Ich für meinen Teil bin froh, das Leseexemplar geschenkt bekommen zu haben, weil ich es sicherlich bereut hätte, 20 € für das Buch auszugeben.

Fazit: Eine sehr gute Darstellung der Zeit, wobei die Geschichte an sich einiges zu wünschen übrig lässt.

Hier geht es zur Leserunde auf LovelyBooks, an der ich sehr gern teilgenommen habe. 

(Quelle: Fischer)

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Btw - Versprich mir, dass du frei sein wirst ist der Originaltitel wörtlich übersetzt. Klingt das nicht viel schöner als Am Horizont die Freiheit

Hier geht es zu meinem Beitrag zu "Gemeinsam Lesen", in dem es auch um diesen Roman ging. Ich bin richtig überrascht, wie sehr sich meine Meinung geändert hat!

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Übrigens erfüllt dieser Roman die Anforderungen des 13. Punktes der LovelyBooks-Themenchallenge: Es hat einen Schutzumschlag. Juhu!

Mittwoch, 15. Januar 2014

[Freshe Babies]

Nach einer kurzen Blogpause, in welcher ich GTA-mäßig die praktische Fahrprüfung verkacken musste, habe ich mit meinem Freund der Stadtbibliothek mal wieder einen Besuch abgestattet. Der Flohmarktstand war wieder proppevoll, und diesmal konnte man sich wirklich nicht von ihm losreißen. Moralisch (und SuB-isch) gesehen vielleicht verwerflich, kauften wir, so viel wir tragen konnten, was eigentlich weniger hätte sein müssen. Wir sind nämlich spontan wie ein Monsunregen in den nächsten Zug nach Düsseldorf gestiegen. Übrigens verschaffte mir das die Erkenntnis, dass ich Dortmund irgendwie doch schöner finde. Aber jedem das Seine!

Außerdem sind ein Manuskript (Charlotte und die Geister von Darkling) und ein Freiexemplar (Argwohn) bei mir eingetrudelt. Ich hatte noch nie zuvor ein Manuskript und fühle mich richtig wichtig. Was Lesecommunities à la WasLiestDu alles ermöglichen können!


ArgwohnBernhard Schlink  |  Der Vorleser  |  Roman, Taschenbuch, 208 Seiten | € (D) 9.90 / sFr 14.90* / € (A) 10.20
Brave New World by Aldous HuxleyNumber Ten.jpg

Für mehr Informationen reicht ein Klick auf das jeweilige Cover.

Dienstag, 7. Januar 2014

Gemeinsam lesen ~ Am Horizont die Freiheit ~

Klick für weitere Informationen

Heute ist wieder Dienstag - also Tag des gemeinsamen Lesens. Außerdem auch des Glücks: Ich habe meinen 13. Leser! Für ein Glückszahl-Jubiläum reicht es vielleicht noch nicht ganz, aber ganz sicher für große, abergläubische Freude. Und jetzt geht es auch los mit den Fragen.


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1. Welches Buch liest du gerade und auf welcher Seite bist du?

Jorge Molist: Am Horizont die Freiheit. Seite 123/681 (noch viel zu tun!)

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2. Wie lautet der erste Satz auf deiner aktuellen Seite?

Bartomeu wollte ihm Geld für die Kleidung leihen, doch Joan lehnte ab: Er hatte ja die Korallen verwahrt. (Höchst spektakulärer Satz, ich fall' von den Socken!)

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3. Was willst du unbedingt aktuell zu deinem Buch loswerden? (Gedanken dazu, Gefühle, ein Zitat, was immer du willst!)

Ich mag das Buch schon jetzt total, dabei bin ich noch gar nicht so weit. Molist schreibt so federleicht! Joan, der 12-jährige Protagonist, ist frech und irgendwie unsympathisch, weil er durch die Grausamkeiten, die er erlebt hat, verdorben wurde. Aber er ist auch ziemlich pfiffig für sein Alter. Ich glaube, ich mag ihn. 

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4. Wie sieht das Cover deines aktuellen Buches aus und wie sollte ein Cover aussehen, damit es dich besonders anspricht?


Diesmal handelt es sich um einen historischen Roman, und das wird auf dem ersten Blick erkennbar. Man merkt sofort, mit welcher Atmosphäre man beim Lesen zu rechnen hat, wenn man die wunderschöne Kathedrale und die Umgebung durch ihr Fenster sehen kann. Die Aufmachung ist insgesamt sowieso schon klasse. Das erklärt auch den Preis des Buches. Also, zurück zum Cover: Es ist toll.

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Das war's auch schon für heute! Allerliebste Grüße.

Freitag, 3. Januar 2014

Das Zimmer der Klischees wird (endlich) geputzt!

Jürgen Ahrens: Wie deutsch ist das denn?! - Die populärsten Irrtümer über Deutschland und die Deutschen



Die Fülle an Klischees über die Deutschen ist enorm. Weißwürste, Sauerkraut, Hawaii-Toast, Frikadellen und auch einige Nicht-Lebensmittel lassen alle "Sowas von deutsch!"-Alarmglocken im Hinterstübchen schrillen. Kann es jedoch sein, dass diese Dinge nicht so deutsch sind, wie wir denken? Kann es sogar sein, dass sie vielmehr höchst multikulturell, gar international angesehen werden müssten?


Jürgen Ahrens deckt auf. Deckt auf, räumt auf. Mit den Klischees über die Deutschen. In mehreren alphabetisch sortierten Kapiteln geht er außerordentlich detailliert auf das Bild ein, welches Ausländer, aber auch wir selber von uns im Kopf haben. Viele der Inhalte kamen mir mehr als nur bekannt vor. 

Pünktlichkeit, um ein Beispiel zu nennen. Wem fällt dieses Wort nicht recht schnell ein, wenn er an die Deutschen denkt? 

Da ich aber persönlich fast jeden Morgen zu spät zur Schule komme, weil meine Bahn sich einfach nicht an ihre Ankunftszeiten halten will, dachte ich mir schon länger, dass da was faul sei.
Dass der Stammtisch eine deutsche Erfindung sei, wäre mir jedoch im Traum nicht eingefallen. Für einige der Kapitel gehöre ich vermutlich einfach nicht in die richtige Interessengruppe, Altersgruppe, was auch immer. So faszinierten mich einige der Themen, andere eher weniger - die fand ich dann eher langweilig. Das ist ein sehr subjektiver Kritikpunkt, wie man unschwer erkennt. 

Ich habe mich zuvor eher oberflächlich mit deutschen Klischees befasst; die populärsten schwimmen, ob bewusst oder unbewusst, ohnehin mit uns allen in derselben Badewanne. Nicht selten hört man Kinder sich gegenseitig "Kartoffel" nennen. Inzwischen ist allgemein bekannt, woher die Knolle kam, die enge Bindung zum Deutschen lässt sich trotzdem kaum wegdenken. "Wie deutsch ist das denn?!" ist sicherlich eine wunderbare Grundlage, sich mit der Heimat zu befassen.

Wenn die Neo-Nazis wüssten, wie multikulturell, wie international ihre vermeintlich urdeutschen Wurzeln sind! Es gäbe so viel mehr Akzeptanz und Toleranz auf der Welt, würde man sich endlich als durcheinanderfließendes Ganzes erkennen.
Was das angeht, kann man dem Buch sogar sehr moralische, auch philosophische Botschaften entnehmen, was ich toll finde.

Der Autor schreibt recht flüssig, oft ironisch und sehr humorvoll, sodass das Lesen fast nie fad wird. Es wird jedoch so penibel zum Ursprung jeder einzelnen Sache gegraben, so genau deren Entwicklung dargestellt, mit so einer Großzügigkeit werden alle erdenklichen Zahlen und Namen erwähnt, dass man zwischendurch meint, den Überblick zu verlieren. Die enorme Recherchearbeit, die hinter dem Werk stecken muss, verdient selbstverständlich großen Respekt. 


Wer jedoch erwägt, nach der Lektüre als Besserwisser erster Klasse hervorgehen zu können, sollte seinen Eifer zügeln. Klar, mit einem fotografischen Gedächtnis kann jeder imponieren. Ich als Normalo wäre jedoch von mir selbst überrascht, könnte ich jetzt auch nur einen Namen in Verbindung mit einer Jahreszahl und dem passenden Klischee bringen. 

Drum halten wir unsere Erwartungen etwas niedriger. Ich kann mir auch nicht vorstellen, dass Ahrens Besserwisser hervorbringen will. Schon die alphabetische Sortierung der einzelnen Kapitel zeigt ja, dass es sich nicht um ein Sachbuch handelt, das man in einem Rutsch lesen soll. Die Kapitel bauen auch nicht aufeinander auf. Wenn einem gerade ein spezielles Thema zum Deutschlandbild einfällt, kann man dieses ganz einfach nachschlagen. Deshalb würde ich "Wie deutsch ist das denn?!" als Nachschlagewerk wärmstens empfehlen!
Wenn man ein bestimmtes Thema genauestens untersuchen will, kann man gut auf die Informationen des Autors zurückgreifen. Man muss ja keineswegs jedes der Themen komplett gelesen haben. 

Fazit: Ein originelles Nachschlagewerk für alle angehenden Putzteufel im deutschen Klischee-Zimmer!


(Quelle: randomhouse)

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Mittwoch, 1. Januar 2014

Krimiüberraschung!

Ralf Kurz: Tödlicher Triumph



In seinem dritten Fall jagt Kriminalkommissar Bussard einen Serienmörder, der das Grauen wie ein Spiel inszeniert. Man ist sich sicher über die Identität des Mörders, doch dieser ist höchstens so greifbar wie Luft. Und seine Taten werden immer schrecklicher.


Ich hätte mir diesen Roman vermutlich nicht in der Buchhandlung ausgesucht, wenn ich ihn nicht gewonnen hätte. Und das wäre wirklich traurig gewesen! Der Einband fühlt sich zart und matt an, was mir persönlich sehr gefällt. Das Cover hat zwar eine Art Independent-Charme mit der Powerpoint-Schrift und der ganzen Bildkomposition, aber der Klappentext wirkt irgendwie nichtssagend. Man darf mich nicht falsch verstehen, denn ich mag ja, wenn nicht zu viel verraten wird und meine das auch gar nicht. Man garantiert jedoch "Hochspannung von der ersten bis zur letzten Seite", was wiederum nicht so nervig wäre, wenn man sich nicht die anderen Empfehlungen im Anhang des Buches anschauen würde. Es gibt insgesamt sieben Buchempfehlungen, und bei dreien findet sich derselbe schnöde Werbespruch von wegen Spannung von der ersten bis zur letzten Seite. Hier also ein Tipp an den Verlag: Wie wäre es mit mehr Einfallsreichtum als Vorsatz für das Jahr 2014?

Ich will damit sagen, dass dieser Krimi als wirklich guter, wirklich spannender, gänsehautversprechender Roman auch ein entsprechendes Drumherum verdient hätte. Ich glaube jedoch, dass er das nicht unbedingt nötig hat, weil Tödlicher Triumph zumindest auf lovelybooks.de in aller Munde zu sein scheint. Und das mit einem überraschend positivem Ergebnis von nahezu voller Punktzahl (jedenfalls, als ich das letzte Mal hinsah).


Man wird direkt ins berühmt-berüchtigte kalte Wasser geworfen. Mag sein, dass man dadurch erst seine Zeit braucht, sich warm zu lesen. Ich selbst konnte erst ab etwa einem Drittel des Romans verschiedene Kollegen Bussards auseinander halten. Aber die sind ja auch nicht so wichtig wie er selbst. Er ist ... speziell. Man meint, den Autor in ihm erkennen zu können, jedenfalls die fast poetisch niedergeschriebene Faszination der Musik gegenüber. Bussard kann ein kaltblütiger Jäger böser Jungs sein. Doch mit seiner bodenständigen Art trägt er zumeist den weichen Kern spazieren. Er ist Kumpeltyp, Familienmensch und doch einsamer Wolf. Oder Vogel. Wie ein Bussard, der einsam durch die Lüfte segelt, um plötzlich mit erstaunlicher Präzision eine winzige Maus im Gestrüpp zu schnappen, mit Erfolg. Sein Name kleidet ihn perfekt. Fast schon zu perfekt.

Im Gegensatz zu gewissen "Thrillern", die einen eher gähnen als die Zähne klappern lassen, lässt dieser Roman einen zwischenzeitlich zittern. Die Nackenhaare sträuben sich. Und was die Schauderschublade sonst noch so hergibt. 
Kurz beschreibt Tatorte so detailliert, als würde er neben der Leiche im Wohnzimmer stehen. Man will möglicherweise nicht unbedingt, aber man kann nicht anders, als sich selber ebenso zu fühlen. Mit Kurz, Bussard und der Leiche im Wohnzimmer. Kein sonderlich romantisches Date. Ist ja auch keine Liebeskomödie.

Fazit: Ein nahezu perfekter Krimi. Mein erstes Highlight des Jahres.



Es gibt übrigens ein Werbevideo für den Roman ( *klick*) . Macht euch selbst ein Bild davon, ich finde es irgendwie 08/15. Es wird ein wenig aus dem Prolog vorgelesen, was ziemlich befremdlich klingt. Die Qualität ist nicht so super, aber ich schätze, der Gedanke zählt. Ob das für die Erwartungen an den Roman förderlich ist, sei dahingestellt. 

Hier geht es zur LovelyBooks-Leserunde. Wie gesagt fällt die Kritik zu Tödlicher Triumph sehr positiv aus.

Den Roman findet ihr auf der Seite des Wellhöfer-Verlags. 
Die beiden anderen Bussard-Fälle sind ebenfalls im Wellhöfer-Verlag erschienen:



Klicks auf die Links führen zur Website von Ralf Kurz, wo man auch Leseproben zu seinen Romanen findet.

(Bildquelle: amazon)

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Ergänzung vom 2.01.2014: Herr Kurz hat mir erklärt, der Klappentext stamme aus eigener Feder. Ups, hätte ich das gewusst ... 
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P.S.: Netterweise erfüllt der Roman mehrere Anforderungen der Lese-Challenge, an der ich teilnehme. Ich habe mich dazu entschlossen, ihn bei Punkt Nr. 20 zu verlinken. Bussard ist etwa 40 und somit mehr als 10 Jahre älter als ich.